Mir war dieser Jungschnösel Grasser, als er noch als österreichischer Finanzminister in den deutschen TV-Babbel-Sitzungen von den verbalen Klo-Frauen Maischberger, Will und Illner angehimmelt wurde, schon stets ‚verdächtig‘. Das kann ‚hinterher‘ jeder behaupten, aber ich denke, in einigen meiner politischen Bücher habe ich mich klar zu seinen damals vollmundigen Auftritten geäußert! = Eine Luftnummer!
Die Richterin attestiert Karl-Heinz Grasser „eine besonders gleichgültige Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten“. Seit Freitag gibt es das Urteil schriftlich. Fast 14 Monate nach dem letzten Verhandlungstag hat Richterin Marion Hohenecker das Urteil zugestellt.
Genau 420 Tage hieß es für die Angeklagten in der Causa Grasser/Buwog warten. Am Freitag war es so weit: Richterin Marion Hohenecker stellte das schriftlich ausgefertigte Urteil zu. Für Lesestoff für die Angeklagten rund um Karl-Heinz Grasser und ihre Anwälte ist gesorgt. Der Wälzer umfasst 1.280 Seiten. Im größten Korruptionsprozess der Zweiten Republik ging es unter anderem um die Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaften im Jahr 2004. Ermittelt wurde sieben Jahre lang, die Verhandlung dauerte drei Jahre.
Ex-Finanzminister Grasser bekam acht Jahre, sein Trauzeuge, der Ex-Lobbyist Walter Meischberger, sieben Jahre und Ex-Lobbyist Peter Hochegger sechs Jahre Haft. Insgesamt gab es 14 Angeklagte, sechs von ihnen wurden freigesprochen. Rechtskräftig sind nur die Freisprüche, alle Verurteilten haben sofort Rechtsmittel angemeldet. Für sie alle gilt die Unschuldsvermutung.
Knappes Rennen
In der Causa Buwog geht es zusammengefasst um den Vorwurf, Grasser und Co hätten bei der Buwog-Privatisierung mitgeschnitten und sich eine Provision von 9,9 Millionen Euro geteilt. Der Finanzminister habe im Bieterverfahren, in dem zunächst die CA Immo vorne lag, dem Immofinanz-Konsortium verraten, was die CA Immo bieten werde (960 Millionen) – das Konsortium bot dann einen Hauch mehr und machte das Rennen. Die Angeklagten bestritten die Vorwürfe, Hochegger legte ein Teilgeständnis ab. Was auch er bestritt: einen Tatplan.
Im Urteil, das dem STANDARD vorliegt, beschäftigt sich die Richterin auf 246 Seiten mit den „Feststellungen“, in denen sie quasi schildert, was passiert ist. Da geht es etwa um die Verbindungen der Angeklagten zueinander, Provisionsabrechnungen oder Zuordnung von Konten. Mit 900 Seiten nimmt die Beweiswürdigung den größten Teil ein.
Besonders brisant – weil umstritten – sind die Themen Tatplan, Zurechnung der Konten, auf denen die Provision gelandet ist, Verschleierungshandlungen sowie die Rolle Grassers als „Informant“.
Der Tatplan
Die Ankläger werfen Grasser, Meischberger, Hochegger und Ernst Karl Plech (er bekommt einen eigenen Prozess) vor, sich nach Bildung der schwarz-blauen Koalitionsregierung zusammengetan zu haben, um bei Privatisierungen mitzuschneiden, um es leger zu sagen. Die Richterin schreibt im Urteil, dass die vier im Jahr 2000 „übereingekommen sind, (…) insbesondere aus der Ministertätigkeit von Grasser privaten Profit zu schlagen“. Belastet wurden sie besonders vom Zeugen Willibald Berner. Er sprach von der mittlerweile berühmten Skizze, auf der die Involvierten und weitere wie Jörg Haider vorkamen.
Zunächst sei „lose“ zusammengearbeitet worden, später habe es eine Rollenaufteilung gegeben, schildert die Richterin sinngemäß. Die Frage, „ob es sich bei der Skizze tatsächlich um einen Plan zur Vereinnahmung von Bestechungszahlungen oder illegalen Provisionszahlungen handelte“, könne dahingestellt bleiben. Faktum sei, dass die vom Zeugen Berner im Ermittlungsverfahren aufgezeichnete Skizze von den vier Angeklagten umgesetzt worden sei. Ihr Umkehrschluss: „Dass die Realität mit der ,Tatplan-Skizze‘ übereinstimmt, sprach daher für die Existenz dieser Skizze.“
Während die Angeklagten Berner der Lüge bezichtigten, gibt es laut Urteil „keinen Grund“, warum er und zwei weitere Belastungszeugen die Unwahrheit gesagt haben sollten. Die Verteidigung habe zwar versucht, mit „Silbenklauberei“ Widersprüchlichkeiten in seinem Aussageverhalten herauszuarbeiten, das sei allerdings nicht gelungen.
Dass sogar Hochegger den Tatplan bis zuletzt bestritt, war fürs Gericht „zwar nachvollziehbar, aber nicht glaubwürdig“. Summa summarum sei es für die strafrechtliche Beurteilung zweitrangig, ob wirklich schon 2000 eine konkrete Aufgabenverteilung oder Provisionsaufteilung besprochen wurde. Als Bumerang für Hochegger erwies sich eine Klage, die er 2014 gegen Grasser, Meischberger und Plech einbringen wollte.
Denn auch die darin geschilderten Darstellungen beweisen laut Urteil das gemeinsame Vorgehen und den „Tatplan“.
Das Schwiegermuttergeld
Eine weitere Kernfrage, um die es im Prozess ging, sind die drei liechtensteinischen Konten Karin, Natalie und 400.815, auf denen 7,7 Millionen Euro aus der Provision gelandet sind, der Rest ging an Hochegger. Gemäß Meischberger war das Geld seines, Ankläger und Schöffensenat rechnen Konto Karin dagegen Plech zu (er und Meischberger bestreiten das) und Konto 400.815 Grasser.
Und da kommt auch das berühmte „Schwiegermuttergeld“ ins Spiel, jene 500.000 Euro, die Grasser persönlich von der Schweiz nach Wien gebracht und bei der Meinl Bank eingezahlt hat. Die Herkunft dieses Geldes erklärte Grasser zunächst damit, seine Schwiegermutter habe sein Veranlagungstalent testen wollen. Im Prozess sprach er von Geld, das sie der Jungfamilie Grasser zukommen lassen wollte. Ihm jedenfalls sei die halbe Million nicht zuzurechnen. Auch das glaubte der Schöffensenat nicht, die Richterin führte dafür auch ins Treffen, dass sich Grasser nicht festlegen wollte, an welchem Wochenende er von seiner Schwiegermutter in spe das Bargeld erhalten haben wolle. Laut Urteil habe Grasser das behauptet, weil er wusste, sollte man dieses Geld ihm zuordnen, sei „zwangsläufig“ auch die Verbindung zu einem der diskreten Liechtenstein-Konten hergestellt.
Der „Informant“ Grasser
Grasser Im Zentrum des Prozesses stand auch die Frage, wer dem Buwog-Käuferkonsortium den lukrativen Tipp gegeben hat, wie viel es auf den Tisch legen müsse. Im Gericht sagte die Richterin: „Nur Grasser kommt als Informant infrage.“ Meischberger hatte im Prozess den damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider als Informanten genannt. Das hat der Schöffensenat verworfen, im Urteil ist von einer „unglaubwürdigen Verteidigungslinie“ zu lesen, für die es keine Beweisergebnisse gebe. Diese sprächen dagegen, dass die heiße Info aus der involvierten Bank Austria gekommen sei. Es stehe „mit einer für einen Schuldspruch erforderlichen Sicherheit“ fest, dass es nur Grasser gewesen sein könne.
Gleichgültige Einstellung
Nun werden die Anwälte das Urteil studieren und dann ihre angekündigten Berufungen und Nichtigkeitsbeschwerden einbringen. Für die Höhe von Grassers Strafe hat die Richterin unter anderem folgende Erklärung parat: Er hege gegenüber rechtlich geschützten Werten „eine besonders gleichgültige Einstellung“, weshalb ihm „unmissverständlich und deutlich vor Augen geführt werden soll, dass Korruptionshandlungen – vor allem zur eigenen monetären Bereicherung – entschieden entgegengetreten werden muss“.
(Prächtiger Beitrag des STANDARD aus Wien: Renate Graber, Nora Laufer, 28.1.2022)
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