Was das Internet ‚Nettes‘ liefert:

© Axel Springer 2023 11 21

Mit dieser Kamera – einer Stegemann – schoss Großvater Adalbert Defner Tausende Fotos.

Mein Vater hatte seinen Geburtstag am 26. November 1911. Er wäre also am letzten Sonntag im Jahr 2023 112 Jahre alt geworden, und wer weiß, wenn er die Folgen und Leiden des Ersten und Zweiten Weltkrieges als Kind und später dann als Soldat, bis nach Stalingrad, körperlich NICHT hätte erfahren müssen, vielleicht wäre er, mit meiner gesunden Lebensweise, tatsächlich so alt geworden?

Ich hatte in den Tagen davor überlegt, wie kann ich ihm endlich auch einmal einen kleinen Beitrag widmen? Meine Arbeit ist Erinnerung an ihn! Seine Art, alles im besten Sinne perfekt zu beenden, mit größter Geduld, beharrlicher Ausdauer, einer beispiellosen Akribie, das ist sicher etwas, das ich von ihm geerbt habe und stets anstrebe! (Außer den häufig von mir im Spaß geäußerten Krampfadern!)

Da tauchte bei ‘5 um Fünf‘, einem Newsletter der Tiroler Tageszeitung, ein Artikel auf, der mich mehr als überraschte. „Postkarten, Kalender und Bücher: Nach 104 Jahren ist Schluss: Traditionsbetrieb in Igls schließt seine Pforten.“

Dabei hatte ich mich erst kürzlich mit einigen ganz simplen, realistischen Vorschlägen zur ‘Reanimation‘ der vielen kleinen spanischen Dörfer und Kleinstädte an die hier zuständigen Minister gewandt. (Natürlich bis heute ohne Echo!) Sie sollten Wettbewerbe ausrufen: „Schreib mal wieder“. – Also das ganze Gegenteil von der Einschätzung des Thomas Defner, dem Enkel des Gründers dieses alten Druck- und Verlagshauses, der offensichtlich der Übermacht der Handy-Generation mit ihren Millionen Selfies den Vortritt lassen will. (Oder muss?) Meiner Meinung nach, muss man anders sein als alle anderen, dann überlebt man!

Viel verblüffter war ich aber, als ich das abgebildete Foto erblickte. Da trägt die Kamera meinen Geburtsnamen! Da erscheint diese ‘Todesmeldung‘ in der Zeitung am Geburtstag meines Vaters, mit seinem Familien-Namen! Zufälle gibt es ja angeblich nicht. Was ist es dann? Ich werde Kontakt mit dem ‘jungen Mann‘ aufnehmen ‘müssen‘, um es herauszufinden!

Den Zeitungs-Artikel muss ich natürlich abdrucken dürfen, denn auch wenn da  ©Axel Springer so mächtig steht, ohne ‘die alte Stegemann‘ wäre das Haus Defner sicher nicht für den Springer Verlag interessant geworden! 😉

Die Produktion von Postkarten wurde zum lohnenden Geschäftszweig der „Werkstätte für Lichtbildkunst“ in Igls. In den 1950er- und 1960er-Jahren produzierten 18 Mitarbeiter täglich 1500 Postkarten. Auch sehr kleine Auflagen von nur 50 Stück pro Motiv entstanden – durch Handarbeit in der hauseigenen Dunkelkammer.

„Dadurch hatte man eine große Vielfalt von Ansichten aus Dörfern, Städten und Landschaften“, sagt Thomas Defner, dem in dem riesigen Archiv immer wieder einmal ein Motiv vom Großvater unterkommt, dass er noch nicht kennt. Aber auch Glückwunsch- und Weihnachtskarten sowie Kalender, Bücher und Bilder entstanden. „Die Defner-Kalender gingen in die ganze Welt. Und oft wurden diese Jahr um Jahr wiederbestellt. Das waren tolle Werbeträger für Tirol“, erzählt der 62-Jährige. Über ein Jahrhundert lang zierten Motive aus dem Hause Defner Postkarten, Kalender und Bücher. Jetzt schließt der Traditionsbetrieb in Igls seine Pforten – ohne große Wehmut, wie Chef Thomas Defner sagt.

Der Großvater würde wohl mit der Bilderflut des 21. Jahrhunderts so seine Probleme haben. Möglicher-weise auch der Vater. Wobei Karl Defner (1926 bis 2013) im Unterschied zu Adalbert Defner (1884 bis 1969) noch miterlebt hat, was Handys alles können und dass Menschen damit zwar telefonieren, aber noch viel häufiger Fotos, bevorzugt Selfies, machen. „Da geht etwas verloren“, sagt Thomas Defner, während er an seinem Arbeitsplatz in Igls hin und her wandert. Denn die Handy-Schnappschüsse seien inflationäre Momentaufnahmen. Anders die Bilder, die einst der Großvater, der Vater und dann er selbst machten. Tausende Motive von Landschaften, Ansichten von Dörfern und Städten sowie Stillleben lagern in dem großen Raum. Mitten in Igls findet sich ganz Tirol und noch ein wenig mehr von der Welt – u. a. Salzburg, München und Berlin.

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