Von den deutschen Tugenden wurde viel geschwätzt in diesen letzten Fußball-Wochen, meistens von Menschen, die Positionen bekleiden, wo sie unkontrolliert und ungestraft ihren Blödsinn in die Welt hinaus posaunen dürfen, wie Politiker, Funktionäre und so genannte Journalisten. Übrig blieb im letzten Spiel der Europameisterschaft 2008, gesehen durch eine deutsche Brille, nur die Nibelungentreue. Die Millionen selbsternannten Bundestrainer, und die noch größere Anzahl der ahnungslosen Mitjubler und Schulterklopfer verstehen meistens nicht wirklich so sehr viel vom Fußball und werden mit diesem Begriff wahrscheinlich noch viel weniger anfangen können. Liebe zweifelnde Lesegemeinde, geben Sie doch mal bei Google dieses Wort ’Nibelungentreue’ ein, dann erhalten Sie die folgende Erklärung von Wikipedia: Nibelungentreue ist ein geläufiges Schlagwort, das eine Form bedingungsloser, emotionaler und potenziell verhängnisvoller Treue beschreibt. Nichts anderes praktizierte das wie brave, kleine Finanzbeamte agierende deutsche Trainerteam. Und genau diese Treue zum Kapitän Michael Ballack wurde ihnen zum Verhängnis! Ebenso das Festhalten an einem Torsten Frings. Die beiden bildeten mal ein prächtiges Gespann im deutschen Mittelfeld. Bei 100% Fitness wären sie es bestimmt auch heute noch, oder sogar morgen wieder, aber… Wenn ich in den letzten Jahren im Ausland mit Menschen zu diskutieren hatte, dann gebrauchte ich sehr häufig ein englisches Wort: but = aber. Ich bemerkte dann immer spaßig, dass die Deutschen immer etwas zu bemängeln haben, daher ’but’. Genau dieses ’aber’ ist es, was die Herren Löw und Flick nicht benutzten, als sie die Mannschaft aufstellten. In einem Endspiel, und eigentlich in jedem Spiel, sollten unbedingt nur 100% gesunde Spieler spielen. Wackelwade hin oder her, Rippenprellung oder -bruch, dafür wurde die Tribüne geschaffen, um in Ruhe das Spielen und Kämpfen der Mitspieler anzuschauen, die sich für ihre Kameraden den Allerwertesten aufreißen wollen! Wer nicht 100% fit ist, sitzt draußen. Dafür hat der DFB doch einen Kader von 23, wie es immer heißt, gleichwertigen Spielern nominiert! Allein das Zwicken einer Wade, das Stechen in der Brust, lassen doch genau die Differenz an Metern, am Ende gar Kilometern, fehlen, die die deutschen Tugenden im Mittelfeld sonst so leuchtend hervorgebracht hatten. Das Kämpfen bis zum Letzten nämlich. Aber mit diesen beiden, weit hinter ihrer Höchstform hertrabenden alternden Recken…? Da war gleich Durchwinken vom Mittelfeld an den deutschen Strafraum angesagt. Natürlich blieb es wieder Philipp Lahm und Jens Lehmann vorbehalten, für das dumme 0 : 1 (haupt-) verantwortlich zu sein. Schade nur, dass das kleine Energiebündel in der zweiten Halbzeit verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste. Seinen Antritt hätte die deutsche Mannschaft besonders in den Schlussminuten gut gebrauchen können, denn die Spanier wirkten auch nicht mehr besonders frisch. Egal. Nur einer kann ein solches Spiel gewinnen, und wenn ich keine Überraschungen für meinen Gegner parat habe, werde ich überrascht, Herr Löw. Wenn ich mit der gleichen Formation spiele, die sich zuletzt durch das Turnier mogelte, bleibt nur ein anerkennender Blick auf den Sieger. Aber… mal mit einer völlig anderen, den Gegner aus dem Konzept bringenden Aufstellung und Taktik auflaufen, dazu fehlt einem Beamten eben der Mut. Da fängt man dann lieber von der 75. Minute an, mit zwei Stürmern in der Spitze zu spielen…, aber es kamen keine Flanken mehr. Es passt im Grunde alles wirklich nicht richtig und wenn man ehrlich ist, sind die langen Kerle in der Innverteidigung bei diesem Turnier sehr häufig ebenso überfordert gewesen. Nur als genügend Unterstützung aus dem Mittelfeld kam, da lief es auch bei ihnen, die aussehen, als spielten sie in Zeitlupe, etwas besser. Aber… und schon wieder ein aber, jeder Vorstoß, jeder Pass in die Tiefe war ein Pass zum Gegner! Ich will mich nicht weiter in Einzelkritik üben. Im Gegenteil, ich möchte versöhnlich enden: Die Spitze des Weltfußballs ist nicht so sehr weit entfernt von Deutschland. Eine 100% fitte deutsche Fußball-Nationalmannschaft kann mit ihren normal abrufbaren Tugenden in jedem Turnier der Welt bestehen. Da dürfen dann aber nicht zu viele der Elf, die auf dem Platz stehen, unterhalb ihrer Möglichkeiten bleiben. Aber vor allem dürfen die Trainer nie wieder eine so verhängnisvolle Nibelungentreue praktizieren, weil sie dann am Ende mit scheitern werden! Noch etwas Gutes hat diese Niederlage: Das ewige dumme Gequatsche vom Sommermärchen etc. wird hoffentlich eingestellt und die Laien werden ihre Kommentare bis zur nächsten Weltmeisterschaft in Südafrika 2010 zurückhalten.
Mein letztes Wort zum Sommermärchen
Permanentlink zu diesem Beitrag: https://romanschreiber.info/mein-letztes-wort-zum-sommermaerchen/