Vom Vergessen und Erinnern

 22.12.2011 Herkuleshof – Kolbnitz/Kärnten

Heute hätte meine Mutter ihren 100. Geburtstag feiern können… wenn, ja wenn sie sich nur daran erinnert hätte, wie ihr Mann, also mein Vater, viele Jahre zuvor, genau sechs (6) Monate nach seiner Krebsoperation verstarb. Sie wollte offensichtlich unbedingt das gleiche Schicksal erleiden, als sie im Sommer 2012 mithalf, die vielleicht angestrebte Quote an Operationen im Spital von Spittal zu erfüllen!? Es konnte gar nicht schnell genug gehen. Von einem auf den anderen Tag, rein ins Krankenhaus, linke Brust operiert, mit 91.1/2 Jahren… Welch ein Irrsinn! Genau sechs (6) Monate später, am 12.12.2012 um ca. 12 Uhr entschwebte also ‚mein Hausdrachen‘ aus dem Krankenhaus in die Feuerhalle, so nennt man in Österreich das Krematorium. Sie würde heute vielleicht noch leben können, wenn sie sich nicht hätte operieren lassen! Klar, wer weiß das schon! Aber die zehn (10) Tage bis zu ihrem 92. Geburtstag, die hätte sie ganz sicher ohne diesen idiotischen Eingriff geschafft!

Nun ist es, wie es ist. Sie wollte es so. Wie sie immer alles so bekam, wie sie es wollte. Sie bekam ihren totalen Krieg. Sie schickte ihren Mann an die Front nach Stalingrad, weil sie sich ja „als deutscher Junge“ freiwillig gemeldet hätte… Sie vergass nur wenige Jahre später, das Elend, dass Armeen bringen und opponierte nicht gegen die erneute Aufstellung einer neuen ‚Wehrmacht‘. Mein Vater allerdings auch nicht. Sie kämpften erst dann für mich, als ich NACH Absolvierung von 18-Monaten Zwangs-Militärdienst (obwohl Kriegsdienstverweigerer!), nach noch nicht einmal sechs (6) Monaten, erneut zu einer Wehrübung einberufen werden sollte! – Ja, der Staat meinte schon immer Wege finden zu können, um Kritiker mundtot zu machen! (Irrtum!) – Hätten sie mal besser zuvor aufgeschrien, so durften ihre beiden Söhne, also mein älterer Bruder zwei Jahre zuvor und ich, jeweils 18 Monate sinnlosen ‚Kalten Krieg‘ spielen!

Ja, daran muss ich mich heute auch erinnern, liebe ‚Braunhilde‘! Die Krampfadern, das viel zu brüchige Bindegewebe, sicherlich ganz gute Gene, an anderen Stellen (?), aber schon mit etlichen Wehwehchen gepaart! – Nun steuere ich ja seit mehr als 20 Jahren mit der gesündesten Ernährung gegen dieses Ungemach, doch die ersten gut 50 Jahre sind nicht so einfach wegzuwischen.

Sorry: Wie dumm Ihr ward! Es gibt keine Entschuldigung! Ihr ward doch sonst in allem so klug und wusstet immer alles besser! Typisch Deutsch eben! Schon damals, Ende der 1960’er kotzte mich diese Mentalität an, gegen die man selbst permanent ankämpfen muss! (Meistens vergebens.) Die verklemmte hanseatische Welt, die natürlich auch nicht nur Schlechtes hatte, die wollte ich nicht! Also ging ich in die Welt! Ich habe es nicht bereut! Und die Ironie der Geschichte ist dann, dass dieser über Jahrzehnte ‚totgeschwiegene‘ Sohn Dich, liebe Mutter, aus den Krankenhäusern von Lübeck befreien musste und Dich zu sich nach Kärnten holte! (Niemals in ein Altenheim!) Dorthin, nach Österreich wolltest Du! Auch wieder eine Deiner Entscheidungen, denn Du hättest auch in Schleswig Holstein bleiben und mit uns ein passend großes Haus finden können. Ich bot Dir damals einige Alternativen! – Natürlich ist man hinterher immer schlauer!

Auf das Heute übertragen: Wo sind die vielen dummen Alten, die gegen diesen aktuellen Staatsterror aufstehen!? Haben die auch alle vergessen, was vor noch nicht einmal 80 Jahren spektakulär krachend endete!? Unter diesem Trauma leidet die Menschheit heute noch! Und wieder sagt die große Mehrheit der Schafe „Ja“ zum Irrsinn der uns (noch) Regierenden! Es ist wirklich zum Kotzen mit diesem deutschen Volk! Hilde, Du warst auch nur eine kleine Mitläuferin, Friedel, mein Vater, bei aller Intelligenz, auch Du hast an der falschen Stelle gekämpft!

Knapp 40 Jahre nach meines Vaters Tod, 13 Jahre nach meines Bruders Tod, 9 Jahre nach meiner Mutter Tod, bin ich nun der letzte ‚Überlebende‘ unserer kleinen Familie… mit wenig Hoffnung für die, die nach uns kommen!

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